vom inneren Zuhause und wo der Schlüssel zu finden ist

Was tun, wenn man sich nirgendwo so richtig zu Hause fühlt? Wenn man zum Beispiel aus kulturellen Gründen ständig das Gefühl hat, anders zu sein und nicht dazuzugehören? Oder weil man Interessen hat, die das Umfeld nicht versteht, toleriert oder teilt? Mit Fragen wie diesen habe ich mich jahrelang herumgequält, bis mir schließlich irgendwann einmal einfiel, dass man ja ein inneres Zuhause hat, das man so oft besuchen kann, wie man will. Mit dieser Methode kann man im Prinzip auch in einem richtig fiesen Umfeld leben (aber äußere Umstände haben natürlich auch einen Einfluss, dazu später noch mehr). Wie man zu diesem Ort gelangt und was man dort machen kann, möchte ich in diesem Blogtext erzählen. 

Voraussetzungen

Zuallererst gilt es, die Bremsen des eigenen inneren Fahrrads zu reparieren. Anstatt kopflos und ohne Bremsen die Berge des Alltags herunterzurasen, kann man sich dafür entscheiden, langsamer zu fahren oder vielleicht sogar eine Route zu wählen, die nicht abschüssig ist. Oder man lässt das Fahrrad stehen und geht zu Fuß. Erst, wenn man das verstanden und geschafft hat, ist man dazu in der Lage, bewusst und aufmerksam durch die Welt zu wandeln, und früher oder später findet man dann auch die Tür zum inneren Zuhause. Außerdem ist es genauso wichtig, das innere Zuhause auch wirklich betreten zu wollen, anstatt ängstlich daran vorbeizulaufen oder sich Ausreden auszudenken wie zum Beispiel "Ich kann nichts tun, das mir Freude macht, weil ich eine so schlechte Kindheit hatte". Der Schlüssel zum inneren Zuhause steckt in der eigenen Tasche. Das Seltsame ist, dass man die Tür gar nicht suchen muss, man muss sie eher "kommen lassen". Meistens taucht sie vor einem auf, wenn man es am wenigsten erwartet. 

Über das innere Zuhause

Im inneren Zuhause gibt es kein Zeitgefühl. Stunden können sich wie Minuten anfühlen, und das allerschönste an diesem Zuhause ist es, dass es keine Vergangenheit und keine Zukunft gibt. Es gibt keine Sorgen, nichts, das einen bedrückt und niemanden, der einem wehtut. Wenn man das innere Zuhause betreten hat, ist man so frei, wie man nur sein kann. 

Damals als Kind lebte ich eigentlich nur in diesem inneren Zuhause, in einer ganz eigenen Welt aus lebendigen Kuscheltieren und einem Bett als Hausboot, auf dem ich mit Puppen, Tieren und Büchern durch gefährliche Welten navigierte. 

Während man sich im inneren Zuhause aufhält, geschehen Dinge, die gute Gefühle hervorrufen, denn man tut dort etwas, was einem große Freude macht und einen gleichzeitig wachsen lässt. Mein inneres Zuhause besteht aus mehreren Räumen. In einem davon steht ein Maltisch mit einem Aquarellfarbkasten. Außerdem gibt es ein Schreibzimmer und einen Garten. Je nach Laune betrete ich einen dieser Räume und lege los. Wenn ich den Pinsel in tiefgrüne Aquarellfarbe tunke und den ersten Strich ziehe, durchfährt mich ein wohliges Prickelgefühl. Der Raum, das Tun, das entstehende Bild und ich, wir verschmelzen zu einem Ganzen. Und jeden Morgen betrete ich auch das Schreibzimmer. Dann versinke ich für mehrere Stunden in die Welt der Worte und wundere mich später, wie die Zeit so schnell vergehen konnte. 

Jedes Mal, wenn man das innere Zuhause wieder verlässt, ist man gewachsen. Es kann sein, dass man ein bisschen besser aquarellieren kann als vorher, mehr vom Umpflanzen von Stecklingen versteht oder sich gewandter, witziger oder präziser ausdrücken kann. Genau das ist das Wunderbare an diesem inneren Zuhause: Es lässt einen wachsen. Echte Freude an etwas verspürt man dann, wenn es unheimlich großen Spaß macht und einen gleichzeitig wachsen lässt. Im Unterschied dazu gibt es das passivere "Vergnügen", das einen eher nur entspannen lässt. Zu dieser Kategorie gehören beispielsweise fernsehen oder shoppen gehen. Auch sie haben ihre Berechtigung, doch viel faszinierender sind Beschäftigungen, die einem wirklich Freude bereiten. 



Während des Besuchs im inneren Zuhause denkt man nie daran, was für einen Sinn die Beschäftigung hat oder was für einen möglichen Erfolg man damit möglicherweise anstreben kann. Es gibt auch niemanden, der einem über die Schulter guckt und kritisiert. In solchen Momenten ist man frei von den Meinungen anderer. 

Dinge, die das Finden der Tür unterstützen

Das oben genannte Entschleunigen ist Voraussetzung für das Finden der Tür zum inneren Zuhause. Es gibt darüber hinaus Dinge, die das Erscheinen der Tür unterstützen. Sie sind für jeden anders. Ich habe eine Freundin, die dafür unbedingt Musik braucht. Mich selbst unterstützen ein harmonisches, schönes Umfeld, Atemübungen am Fluss und ein Becher Kaffee mit Milch. Und die Katzen.

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