Der Winter zieht in den Kleiderschrank


Der große, begehbare Schrank im Flur war katastrophal zugemüllt. Jacken, Schals, Regenhosen, Westen und Regenumhänge hingen da schief, krumm und ungeliebt an Kleiderbügeln. Der Regenschirmständer schien überzulaufen mit seinen unsorgfältig zusammengefalteten und hineingestopften Schirmen. Es waren auch einige Gegenstände an die falsche Adresse geraten und im Schrank gestrandet: Eine Staffelei stand angelehnt an der Wand. Ein voluminöser Motorradhelm lag auf einem Teppichhaufen und wartete auf einen Ausflug mit dem Scooter Zaukki, den es in diesem Jahr nicht mehr geben würde, denn das Gefährt machte schon Winterpause. Aus den Körben lugten die Wollsocken und Fäustlinge, die Juhas Mutter Elli gestrickt hatte. Zwei stattliche Körbe mit Kunstwerken in allen Farben und Mustern waren es schon geworden und es wurden ständig mehr.

Dies war ein unbeachteter Ort von Gedankenlosigkeit. Er spielte eine Nebenrolle und wirkte traurig vor lauter Missachtung. Eine gute halbe Stunde später lag die ganze Klamottenpracht im Flur. Auf der Spitze des Kleiderberges thronte Annas grau-oranger Arbeitsoverall in Männergröße XXS, ein Flohmarktschnäppchen, das sie trotz mehrerer Witzchen und Lacher beim Tapezieren und bei Malaktionen, Reparaturen und Faschingspartys verwendete. „Der ist so schrecklich, dass er schon wieder lustig ist.“ Auf der rechten Brusttasche gab es ein Plastikfach mit einem selbstgebastelten Namenschild von Anna. Es musste der Handschrift zufolge schon älter sein. „Anna Heikkilä. Landfrau und Aufseherin.“

Mehrere Sommerjacken drehten sich bald fröhlich in der Waschmaschine. Die Knöpfe der Jeansjacken klackten voller Vorfreude auf die Winterpause rhythmisch an der Glastür. Der gewischte Fußboden bekam einen frischen Teppich. Die entstaubten Regale füllten sich langsam mit Körben, deren Inhalt einer radikalen Inventur unterzogen worden war. Die Staffelei kam an ihren richtigen Platz zurück und der Motorradhelm landete auf dem Regal in der Garage. Dann kam die Hauptsache, das Öffnen des Koffers mit den Wintersachen. Beim Geräusch des Kofferreißverschlusses kam Professor Lux angetrabt und setzte sich demonstrativ auf den Deckel. „Du reist mir nicht wieder weg!“ „Keine Sorge, Lux, nur die Sommersachen reisen für ein halbes Jahr in die Garage.“ Die Katze ließ sich trotzdem nicht wegbewegen. Stur und wütend maunzend verteidigte sie ihren Thron. Da half nur ein Leckerli.
Die Winterjacken und Pullover lagen von der Sommerpause steif und gepresst im Koffer, fast ein bisschen vorwurfsvoll lagen sie da, als ob sie sagen würden: „Na, wurde ja auch mal langsam Zeit.“ Die schwarze Daunenjacke mit dem Kunstpelzkragen, die schon so viele Winter mitgemacht hatte. War es ihr vierter oder fünfter Winter? Das Retroteil, ein stahlblauer, bald sechsunddreißigjähriger Pullover mit senfgelben Sternmustern, ein Strickerstlingswerk mit verlängerten Ärmeln. Die helle Sommerkleidung tauschte Platz mit den dunklen Wintersachen, genau wie die Sandalen und leichten Sommerschuhe in hellen Farben, deren Fächer und Regale jetzt von schweren, grauen, braunen und schwarzen Winterschuhen und Stiefeln erobert wurden. In geraden Reihen warteten sie blankgeputzt und voller Daseinsstolz auf den ersten Winterspaziergang. Annas Overall hing jetzt eingerollt gemeinsam mit Schals und Mützen in einem Hängefach.

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